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Nerdytum vs Publikumsverträglichkeit

The_Wollium_peace

Ich habe letztens diesen Artikel bei Elektronic Beats gelesen. Ich las mir durch, was sich so vor 30 Jahren im Bereich Clubmusik alles verändert hat. Bringt mich dieses Wissen in der heutigen Zeit als Club-DJ weiter? Neh.

Alte Männer erzählen im Artikel wie sie zwar Genre-Legenden geschaffen haben, aber ist das für die Jetzt-Zeit wirklich noch wichtig? Also klar ist das wichtig, ohne die dort beschriebenen Tracks wären nachvollgende DJs von anderer Musik geprägt worden und so. Quasi wie beim Schmetterling der mit einem Flügelschlag einen Tsunami auslösen kann.

Aber ist das alles wichtig für mein Auflegen im Hier und Jetzt? Eher nicht. Ich könnte genau so gut das Publikum unterhalten ohne zu wissen wer Ron Hardy, wer Larry Heard, oder wer Robert Owens sind.

Ich kenne auch genug DJs (aus dem elektronischen Bereich), die keinen der Drei kennen und trotzdem gute DJs sind. In fact: Ich kenne sogar einen in OWL recht erfolgreichen DJ, der Zu Spät von den Ärzten bis vor kurzem nicht kannte (Wenn Du das liest, ich mag dich trotzdem. :-*).

Könnte ich mir ja eigentlich die Interviews mit so alten Männern sparen und mich auf die Musik im Hier und Jetzt konzentrieren. — Mache ich bloß nicht. Ich lese sowas trotzdem gerne, höre Tracks von ganz früher, denke darüber nach und setze damals mit heute in Kontext. Zum Beispiel, dass man (und das habe ich schon öfter gelesen) früher einen Track 4-5 Mal am Abend spielen konnte. Das ist doch schon irgendwie irre zu wissen oder? Wer, von der das hier lesenden DJ-Riege, hat sich irgendwann mal im Club getraut den selben Track 4-5 Mal am Abend zu spielen? Eben, ich kann mich an sowas aus meiner Clubbingzeit auch nicht erinnern, und die dauert immerhin schon seit 1998 an. Ok, deziBL hat wohl mal bei jedem Liedwunsch Niggas in Paris gespielt (oder so) und das waren dann eben 7 Wiederholungen (oder so), aber da war ich nicht dabei (so).

Mit ein bisschen Nerdness fängt der Spaß doch erst an

Die Frage, die ich mir stelle ist: Wieviel Nerdytum verträgt ein normaler Multigenre-Abend im Club und wie publikumsverträglich muss man spielen, damit man die Gäste nicht nur hält, sondern ihnen auch eine gute Party bereitet?

Und mit Nerdytum meine ich jetzt noch nicht einmal die selten gespielten, waghalsigeren Tracks, wie zum Beispiel den oder den. Nerdytum hat ja auch einfach viel mit früh dran sein, Sammelleidenschaft und Tracks diggen zu tun. Nerdytum ist für mich eine brandneue Daft Punk Nummer (wenn sie gut ist und zum Thema der Party passt) direkt am ersten Abend zur Primetime zu spielen, obwohl ich weiß, dass sie keiner kennt. Eigentlich eine Brot und Butter Aufgabe des DJs, neue Musik präsentieren, die das Publikum nicht kennt. Sollte man meinen, ich habe aber das Gefühl, dass es vielen DJs genügt, Gästen das zu geben was sie kennen und erwarten. Doch das ist ein anderes Thema. Nerdytum heißt aber auch an Track-Übergängen zu feilen, etwa nach gleichen Tonarten zu suchen oder Tracks mit gleichen Samples geschickt zu kombinieren.

Ich denke eine gesunde Portion Nerdness tut einem DJ-Set gut, wenn es mehr soll als zu funktionieren. Also vorausgesetzt man hat ein Publikum welches eine gewisse musikalische Grundaffinität hat (das ist beileibe nicht immer der Fall bei Clubbesuchern) und Willens ist sich darauf einzulassen, wenn der DJ die ausgetrampelten Pfade verlässt, um mal nach links, nach rechts, in die Vergangenheit und nach Vorne zu blicken.

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